Zu wenig Kandidaten für den Betriebsrat – was tun?

 

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Was passiert, wenn es zu wenige Kandidaten für den Betriebsrat gibt? Diese Situation stellt viele Wahlvorstände vor große Herausforderungen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche gesetzlichen Regelungen greifen, wie Sie rechtssicher vorgehen und welche Lösungen es für Betriebe mit geringer Kandidatenanzahl gibt.

Das Poko-Institut unterstützt Betriebsräte, Wahlvorstände sowie JAV und SBV seit Jahrzehnten mit praxisnahen Schulungen rund um Mitbestimmung, Arbeitsrecht und betriebliche Wahlen. Besonders bei kniffligen Fällen wie zu geringer Beteiligung an der Betriebsratswahl helfen Webinare, Betriebsrat-Seminare und Inhouse-Schulungen dabei, rechtliche Sicherheit zu gewinnen und fundierte Entscheidungen zu treffen.

Seminar: Betriebsratswahl außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums

 

Zu wenig Kandidaten für den Betriebsrat: Das Wichtigste in Kürze

  • Betriebsrat hat zu wenig Kandidaten: Paragraph § 9 BetrVG gibt vor, wieviele Mitglieder der Betriebsrat haben soll.
  • § 11 BetrVG sinngemäß anwenden: Auch wenn der Paragraf ursprünglich für andere Fälle gedacht war, lässt er sich nutzen, um die Gremiengröße anzupassen.
  • Ein einköpfiger Betriebsrat ist möglich: Meldet sich nur eine Person zur Wahl, kann diese allein den Betriebsrat bilden – das ist besser als keine Interessenvertretung.
  • Wahl nicht absagen: Auch bei geringer Kandidatenzahl lässt sich die Betriebsratswahl rechtssicher durchführen.
  • Rechtsgrundlage dokumentieren: Wahlvorstände sollten ihre Entscheidung zur Reduktion der Betriebsratsgröße klar begründen und protokollieren.

Betriebsrat hat zu wenig Kandidaten

Nicht jeder Betrieb verfügt über eine große Zahl Betriebsrats-Kandidat*innen. Während sich in manchen Unternehmen mehrere Listen zur Wahl stellen, kämpfen andere mit einem ganz anderen Problem: für den potenziellen oder nächsten Betriebsrat gibt es zu wenig Kandidat*innen, um die gesetzlich vorgesehene Anzahl an Betriebsratsmitglieder zu erreichen.

Gemäß § 9 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bestimmt sich die Anzahl der Betriebsratsmitglieder nach der Größe des Betriebs. In einem Betrieb mit bspw. 45 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen soll der Betriebsrat aus drei Mitgliedern bestehen. Doch auch wenn sich beim Wahlvorstand nur zwei Personen zur Kandidatur bereit erklären, gilt das Bilden eines Betriebsrats nicht als gescheitert.

Weniger Kandidat*innen als vorgesehen – was ist zu tun?

Erklären sich nur zwei Personen zur Kandidatur bereit, gilt zunächst: Eine Betriebsratswahl darf nicht daran scheitern, dass sich nicht die volle Anzahl an Mitgliedern gemäß § 9 BetrVG, also drei wählbaren Mitgliedern, findet. Der Gesetzgeber hat für bestimmte Ausnahmefälle vorgesorgt – etwa, wenn nicht genügend wählbare Arbeitnehmer*innen zur Verfügung stehen. Dies gilt beispielsweise, falls es zu wenige Mitarbeiter*innen gibt, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens sechs Monate angehören (§ 8 BetrVG). In solchen Fällen verweist § 11 BetrVG darauf, die nächstniedrigere Staffel aus § 9 BetrVG als Grundlage zu nehmen.

Vereinfacht bedeutet das: Wenn ein Betrieb formal eine höhere Zahl an Betriebsratsmitglieder wählen müsste, dies aber aufgrund struktureller Voraussetzungen nicht möglich ist, darf die Größe des Betriebsrats entsprechend angepasst werden.

Zu wenig Kandidaten für den Betriebsrat – § 11 BetrVG anwenden

Gibt es nur zwei Kandidat*innen, kann sich der Wahlvorstand darauf berufen, dass sich, laut § 11 BetrVG, die Betriebsratsgröße an die Zahl der zur Übernahme des Amts bereiterklärenden wählbaren Arbeitnehmer*innen anpassen lässt. Wenn also nur zwei Personen kandidieren, lässt sich die Größe des Betriebsrats auf ein einzelnes Mitglied reduzieren. Die Wahl kann also dennoch stattfinden – auch für einen einköpfigen Betriebsrat.

Wichtig ist dabei, dass die Anpassung gut dokumentiert und begründet wird. Der Wahlvorstand sollte sich auf § 11 BetrVG in Verbindung mit § 9 BetrVG stützen und die Entscheidung zur Reduktion der Gremiengröße nachvollziehbar im Wahlprotokoll festhalten.

Keine Scheu vor der „kleinen Lösung“

In der Praxis reagieren viele Wahlvorstände zunächst mit Unsicherheit, wenn der Betriebsrat zu wenige Mitglieder hat. Die erste Reaktion lautet oft: „Dann können wir eben keinen Betriebsrat wählen.“ Oder es entstehen kreative, aber rechtlich problematische Ideen wie: „Wir geben einfach eine niedrigere Beschäftigtenzahl an.“ Beide Reaktionen sind zwar menschlich nachvollziehbar, jedoch juristisch unzulässig.

Der rechtssichere Weg ist es, auf die vorhandenen Gesetzesgrundlagen zurückzugreifen – und diese flexibel im Sinne der Mitbestimmung auszulegen. Denn auch ein einzelnes gewähltes Betriebsratsmitglied kann für die Belegschaft viel bewirken: Es kann bei Einstellungen einbezogen werden und die Interessen der Arbeitnehmer*innen vertreten. Auch ein kleiner Betriebsrat stellt eine rechtlich anerkannte Interessenvertretung dar.

Zu wenige Kandidaten für den Betriebsrat sind kein Hindernis

Gibt es zu wenige Kandidaten für den Betriebsrat, muss dies kein Hindernis sein. Durch eine sinnvolle Auslegung der §§ 9 und 11 BetrVG lässt sich die Gremiengröße flexibel anpassen. So können Wahlvorstände auch bei einer geringen Anzahl von Kandidat*innen eine rechtssichere Wahl durchführen und die Mitbestimmung im Unternehmen stärken.

Das Poko-Institut steht Ihnen bei Fragen rund um die Betriebsratswahl zur Seite. Mit unseren Inhouse-Schulungen können Sie für individuelle Themen in Ihrem Betrieb geschult werden. Unsere Webinare vermitteln Ihnen das Wissen kompakt und digital. In Seminaren an unseren bundesweiten Veranstaltungsorten profitieren sie von der Expertise im persönlichen Austausch. Wir unterstützen Sie dabei, gesetzliche Regelungen sicher anzuwenden und auch in herausfordernden Situationen handlungsfähig zu bleiben.

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